Samstag
13. Januar 2007
13. Januar 2007
Nutzwertanalyse und Kosten
byggvirofbarley, 22:52h
In WikiPedia habe ich mich des Beitrages über die Nutzwertanalyse (NWA) angenommen. Der Beitrag bedarf der Überarbeitung. Soweit es meine Zeit erlaubt, werde ich versuchen ihn weiter zu strukturieren.
Vor zwei Tagen erreichte mich die Frage, wie Kosten bei einer NWA berücksichtigt werden können, wenn man den Nutzwert nicht ins Verhältnis zu den Kosten setzen darf.
Hier ein - überarbeiteter - Auszug aus meiner Antwort, die ich bei Gelegenheit in WikiPedia einbringen möchte. Wobei ich natürlich im Block habe, dass WikiPedia ein Lexikon ist.
Eine NWA ist höchstens dann sinnvoll, wenn andere Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen nicht möglich sind. D.h. Sie können die Alternativen oder Kriterien nicht oder nicht einfach auf Kosten abbilden. Dies ist häufig der Fall, wenn Sie Faktoren wie persönliche Bewertungen einfließen lassen, wie zum Beispiel das Druckbild eines Druckers, das Kofferraumvolumen eines Autos usw.
Deshalb werden die Kosten bei der NWA außen vor gelassen. Eigentlich lautet die Aussage einer NWA dann, wenn alle Alternativen gleich viel kosten, dann bevorzugt der Entscheidungsträger Alternative X. Da dies nicht
der Fall ist versucht man die Kosten nachträglich zu berücksichtigen. Dies ist jedoch grober Unfug.
Sie könnten die Kosten als ein Kriterium einbeziehen, dann können/müssen sie jedoch jedes Kriterium in Kosten umrechnen können. Dann erstelle Sie eine Kosten-Nutzen-Analyse und keine NWA.
Der - sogenannte - Nutzwert ist ein dimensionsloser Wert, den ich - bei einer multi-linearen Nutzenfunktion - beliebig manipulieren kann.
Beispiel:
Sie haben zwei Kirterien A und B zwischen, die sie zwischen 0 und 10 bewerten.
Der Einfachheit wegen seien die Gewichte gleich (50:50). Alternative 1 kostet 80 Euro und habe die Werte (7;8) und Alternative 2 kostet 65 Euro mit den Werten (6;7), dann ergibt sich
Nutzwert: 1: (7+8) / 2 = 7,5
Nutzwert 2: (6+7) / 2 = 6,5
Wenn sie die Kosten durch den Nutzwert teilen, erhalten sie:
Nutzwert 1: 80 Euro / 7,5 = 10,67 Euro/Nutzeneinheit
Nutzwert 2: 65 Euro / 6,5 = 10,00 Euro/Nutzeneinheit
Alternative 1 ist zwar deutlich teurer (+23%), kostet pro Nutzeneinheit nur geringfügig mehr, hat aber den besten Nutzwert (+15%).
Sie können aber auch eine gleichwertige Nutzenfunktion nehmen, bei der sie von jedem Kriterium 5 Einheiten abziehen. (Sie bewerten also zwischen -5 und +5 statt zwischen 0 und 10.)
Dann ergibt sich:
Nutzwert 1: 80 Euro / 2,5 = 32,00 Euro/Nutzeneinheit
Nutzwert 2: 65 Euro / 1,5 = 43,33 Euro/Nutzeneinheit
In diesem Fall kehrt sich das Kosten/Nutzenverhältnis also um.
Alternative 1 ist zwar deutlich teurer (+23%), kostet jedoch pro Nutzeneinheit deutlich weniger (-26%), und hat den besten Nutzwert (+15%).
Sie sehen, dass durch einfache Manipulation der Teilnutzenfunktionen lassen sich die Verhältnisse umkehren. Sie können also bei der ersten Funktion
argumentieren, dass sie für den Mehrwert von einer Nutzeneinheit wenig mehr bezahlen müssen. Im zweiten Fall können Sie behaupten, dass der Preis für eine Nutzeneinheit im Fall zwei, obwohl mit 65 Euro preiswerter, unverschämter Wucher ist, und sie auch deshalb die eigentlich teurere Alternative wählen.
Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im Projekt HERKULES ist übrigens ein gelungenes, aktuelles Beispiel für eine solche Argumentation, um nicht zu sagen Manipulation. (Sie stand in Kurzform in den Griephan-Briefen)
Im Fall zwei werden Sie es deutlich einfacher haben, für die teurere Alternative zu argumentieren.
Teilnutzenfunktionen sind in der Regel nicht linear unabhängig. Versuchen Sie eine Bewertung eines Autos anhand von Verbrauch und Volumen des Tankes unter der Annahme, dass sie nicht zu oft tanken wollen.
In einem Bewertungsmodel (mit über 500 Kriterien) von Schiffen hat die Marine wie folgt argumentiert:
Je mehr Treibstoff mitgeführt wird, desto besser. Je weiter das Schiff ohne nachtanken fahren kann, desto besser. Ergebnis. Das Schiff, das mit der maximale geforderten Tankfüllung die minimal geforderte Strecke fahren konnte, war genauso gut, wie das Schiff, das mit dem minimalen Treibstoff die maximale Strecke fahren konnte. Bei gleicher Strecke war das Schiff mit dem höheren Verbrauch besser. Bei 500 Kriterien kann ein solcher Fehler schon mal passieren, zumal die Kriterien im Kriterienbaum weit auseinander liegen. Ich habe aber bisher noch keine lineare Funktion gefunden, die dieses Problem vermeidet. Durch die Beziehung Tankfüllung/Strecke = Verbrauch pro Streckeneinheit gibt es diese einfache Beziehung nicht.
Der "Analytic Hierarchy Process" ist nur eine Methode die Gewichtungsfaktoren zu bestimmen und geht von der - zu beweisenden - Annahme aus, dass die Substitutionsbeziehungen zwischen den Kriterien paarweise nutzen-unabhängig sind. Der Beweis wird meist nicht erbracht und die Annahme stimmt auch meist nicht.
Wenn Ihnen jemand eine NWA "unterjubelt" seien Sie sehr
vorsichtig. Durch geschicktes Wählen von Nullpunkten kann man das Ergebnis manipulieren, ohne die Gewichtung zu ändern. Wenn sie den Verbrauch eines Autos bewerten, ist es ein Unterschied, ob sie 5 l/100km mit 100 Punkten bewerten oder 3 l/100km. Und die 0 Punkte können sie bei 20 Liter oder bei 30 Liter setzen. Dies ändert die Steigung der Geraden und damit auch die
Gewichtung.
Meines Erachtens ist eine multi-linear Nutzwertanalyse in den meisten Fällen Humbug, weil die Voraussetzungen nicht eingehalten werden und ihre Einhaltung nicht bewiesen wird. Sie können das Ergebnis ohne Probleme so schönen, damit es passt. Mit etwas Geschick erhalten Se auch die schlechtestes Alternative als beste, wenn sie nicht gerade total schlecht ist.
Wenn Sie eine NWA unbedingt abliefern müssen - sie gehört immerhin zu den im Öffentlichen Dienst anerkannten Verfahren - dann nehmen sie sich
bei der Auswahl der Kriterien etwas Zeit und legen die Intervalle für die Kriterien so, dass das gewünschte Ergebnis erscheint. Ist der Auftraggeber mit den Gewichtungen nicht einverstanden, können sie es durch Strecken oder Stauchen der Bewertungsintervalle wieder richten.
Wer eine NWA fordert, der will betrogen werden oder betrügen.
Es gibt noch eine Alternative: Eine nicht multi-lineare NWA mit genauer Untersuchung der Beziehungen der Kriterien untereinander. Aber so
etwas hat meines Wissens noch niemand praktisch durchgeführt. Allein der Nachweis der linearen Unabhängigkeit ist von der Ordnung 2^n, wobei n die
Anzahl der Kriterien ist.
Vor zwei Tagen erreichte mich die Frage, wie Kosten bei einer NWA berücksichtigt werden können, wenn man den Nutzwert nicht ins Verhältnis zu den Kosten setzen darf.
Hier ein - überarbeiteter - Auszug aus meiner Antwort, die ich bei Gelegenheit in WikiPedia einbringen möchte. Wobei ich natürlich im Block habe, dass WikiPedia ein Lexikon ist.
Eine NWA ist höchstens dann sinnvoll, wenn andere Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen nicht möglich sind. D.h. Sie können die Alternativen oder Kriterien nicht oder nicht einfach auf Kosten abbilden. Dies ist häufig der Fall, wenn Sie Faktoren wie persönliche Bewertungen einfließen lassen, wie zum Beispiel das Druckbild eines Druckers, das Kofferraumvolumen eines Autos usw.
Deshalb werden die Kosten bei der NWA außen vor gelassen. Eigentlich lautet die Aussage einer NWA dann, wenn alle Alternativen gleich viel kosten, dann bevorzugt der Entscheidungsträger Alternative X. Da dies nicht
der Fall ist versucht man die Kosten nachträglich zu berücksichtigen. Dies ist jedoch grober Unfug.
Sie könnten die Kosten als ein Kriterium einbeziehen, dann können/müssen sie jedoch jedes Kriterium in Kosten umrechnen können. Dann erstelle Sie eine Kosten-Nutzen-Analyse und keine NWA.
Der - sogenannte - Nutzwert ist ein dimensionsloser Wert, den ich - bei einer multi-linearen Nutzenfunktion - beliebig manipulieren kann.
Beispiel:
Sie haben zwei Kirterien A und B zwischen, die sie zwischen 0 und 10 bewerten.
Der Einfachheit wegen seien die Gewichte gleich (50:50). Alternative 1 kostet 80 Euro und habe die Werte (7;8) und Alternative 2 kostet 65 Euro mit den Werten (6;7), dann ergibt sich
Nutzwert: 1: (7+8) / 2 = 7,5
Nutzwert 2: (6+7) / 2 = 6,5
Wenn sie die Kosten durch den Nutzwert teilen, erhalten sie:
Nutzwert 1: 80 Euro / 7,5 = 10,67 Euro/Nutzeneinheit
Nutzwert 2: 65 Euro / 6,5 = 10,00 Euro/Nutzeneinheit
Alternative 1 ist zwar deutlich teurer (+23%), kostet pro Nutzeneinheit nur geringfügig mehr, hat aber den besten Nutzwert (+15%).
Sie können aber auch eine gleichwertige Nutzenfunktion nehmen, bei der sie von jedem Kriterium 5 Einheiten abziehen. (Sie bewerten also zwischen -5 und +5 statt zwischen 0 und 10.)
Dann ergibt sich:
Nutzwert 1: 80 Euro / 2,5 = 32,00 Euro/Nutzeneinheit
Nutzwert 2: 65 Euro / 1,5 = 43,33 Euro/Nutzeneinheit
In diesem Fall kehrt sich das Kosten/Nutzenverhältnis also um.
Alternative 1 ist zwar deutlich teurer (+23%), kostet jedoch pro Nutzeneinheit deutlich weniger (-26%), und hat den besten Nutzwert (+15%).
Sie sehen, dass durch einfache Manipulation der Teilnutzenfunktionen lassen sich die Verhältnisse umkehren. Sie können also bei der ersten Funktion
argumentieren, dass sie für den Mehrwert von einer Nutzeneinheit wenig mehr bezahlen müssen. Im zweiten Fall können Sie behaupten, dass der Preis für eine Nutzeneinheit im Fall zwei, obwohl mit 65 Euro preiswerter, unverschämter Wucher ist, und sie auch deshalb die eigentlich teurere Alternative wählen.
Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im Projekt HERKULES ist übrigens ein gelungenes, aktuelles Beispiel für eine solche Argumentation, um nicht zu sagen Manipulation. (Sie stand in Kurzform in den Griephan-Briefen)
Im Fall zwei werden Sie es deutlich einfacher haben, für die teurere Alternative zu argumentieren.
Teilnutzenfunktionen sind in der Regel nicht linear unabhängig. Versuchen Sie eine Bewertung eines Autos anhand von Verbrauch und Volumen des Tankes unter der Annahme, dass sie nicht zu oft tanken wollen.
In einem Bewertungsmodel (mit über 500 Kriterien) von Schiffen hat die Marine wie folgt argumentiert:
Je mehr Treibstoff mitgeführt wird, desto besser. Je weiter das Schiff ohne nachtanken fahren kann, desto besser. Ergebnis. Das Schiff, das mit der maximale geforderten Tankfüllung die minimal geforderte Strecke fahren konnte, war genauso gut, wie das Schiff, das mit dem minimalen Treibstoff die maximale Strecke fahren konnte. Bei gleicher Strecke war das Schiff mit dem höheren Verbrauch besser. Bei 500 Kriterien kann ein solcher Fehler schon mal passieren, zumal die Kriterien im Kriterienbaum weit auseinander liegen. Ich habe aber bisher noch keine lineare Funktion gefunden, die dieses Problem vermeidet. Durch die Beziehung Tankfüllung/Strecke = Verbrauch pro Streckeneinheit gibt es diese einfache Beziehung nicht.
Der "Analytic Hierarchy Process" ist nur eine Methode die Gewichtungsfaktoren zu bestimmen und geht von der - zu beweisenden - Annahme aus, dass die Substitutionsbeziehungen zwischen den Kriterien paarweise nutzen-unabhängig sind. Der Beweis wird meist nicht erbracht und die Annahme stimmt auch meist nicht.
Wenn Ihnen jemand eine NWA "unterjubelt" seien Sie sehr
vorsichtig. Durch geschicktes Wählen von Nullpunkten kann man das Ergebnis manipulieren, ohne die Gewichtung zu ändern. Wenn sie den Verbrauch eines Autos bewerten, ist es ein Unterschied, ob sie 5 l/100km mit 100 Punkten bewerten oder 3 l/100km. Und die 0 Punkte können sie bei 20 Liter oder bei 30 Liter setzen. Dies ändert die Steigung der Geraden und damit auch die
Gewichtung.
Meines Erachtens ist eine multi-linear Nutzwertanalyse in den meisten Fällen Humbug, weil die Voraussetzungen nicht eingehalten werden und ihre Einhaltung nicht bewiesen wird. Sie können das Ergebnis ohne Probleme so schönen, damit es passt. Mit etwas Geschick erhalten Se auch die schlechtestes Alternative als beste, wenn sie nicht gerade total schlecht ist.
Wenn Sie eine NWA unbedingt abliefern müssen - sie gehört immerhin zu den im Öffentlichen Dienst anerkannten Verfahren - dann nehmen sie sich
bei der Auswahl der Kriterien etwas Zeit und legen die Intervalle für die Kriterien so, dass das gewünschte Ergebnis erscheint. Ist der Auftraggeber mit den Gewichtungen nicht einverstanden, können sie es durch Strecken oder Stauchen der Bewertungsintervalle wieder richten.
Wer eine NWA fordert, der will betrogen werden oder betrügen.
Es gibt noch eine Alternative: Eine nicht multi-lineare NWA mit genauer Untersuchung der Beziehungen der Kriterien untereinander. Aber so
etwas hat meines Wissens noch niemand praktisch durchgeführt. Allein der Nachweis der linearen Unabhängigkeit ist von der Ordnung 2^n, wobei n die
Anzahl der Kriterien ist.
Kategorie: Nutzwertanalyse
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